Eigentlich hat die Justiz die Aufgabe, unsere Grundrechte zu schützen. In den letzten Jahren entsteht bei mir vermehrt der Eindruck, dass Gerichte in Sachen Meinungs- und Pressefreiheit zunehmend politisch motiviert urteilen, indem sie Maulkörbe verteilen, Zensur ermöglichen und so zu einem gewissen Teil zur um sich greifenden Meinungsdiktatur beitragen. In Deutschland darf zwar grundsätzlich jede Meinung frei geäußert werden, doch die strafbaren Einschränkungen sind beachtlich:
kein Hasskommentar, keine Beleidigung, keine Verleumdung, keine Volksverhetzung, keine Verletzung von Persönlichkeitsrechten, keine Verunglimpfung des Staates und seiner Organe, keine Drohung, keine Unterstützung terroristischer oder krimineller Vereinigungen oder von Tarnorganisationen derselben. Die Bewertung der öffentlich gemachten Meinung und die Einteilung in die oben aufgeführten verbotenen Kategorien übernimmt die Justiz, also der Staat. Die Staatsanwaltschaften sind weisungsgebunden und zum Richter wird nur ernannt, wer über eine staatstreue Gesinnung verfügt.
Die Meinungsfreiheit endet dort, wo die Staatsraison beginnt.
Wer schweigend am Abgrund steht ist nur noch ein Schatten seiner selbst.
Sowohl Entscheidungen in Zivilverfahren als auch in Strafverfahren können zur Folge haben, dass die Presse- und die Meinungsfreiheit weiter eingeschränkt werden.
Die kritische Berichterstattung in den Medien scheint manch einem Richter ein Dorn im Auge zu sein, wie im folgenden Beispiel ersichtlich wird.
Im Mai 2012 hatte Richterin Christiane Klinger
(http://www.vaeternotruf.de/landgericht-berlin.htm
Christiane Klinger (geb. zensiert durch Anordnung des „Berliner Beauftragten für Datenschutz“ 1959) – Richterin am Landgericht Berlin (ab 16.11.1989, …, 2012) – GVP 21.02.2012: Landgericht Berlin – Zivilkammer 16.)
am Landgericht Berlin in einem Zivilverfahren einen Dokumentarfilm über die Berliner Sprayer- Szene mit Aufnahmen illegaler Aktionen aus den Jahren 2009 und 2010 verbieten lassen, die den Filmemachern anonym zugespielt worden sein sollen. Sie kam damit dem Wunsch der Berliner Verkehrsbetriebe nach. Begründet wurde diese Entscheidung mit dem Bildrecht am Eigentum, wobei eine fundierte Abwägung zwischen Eigentumsrechten und der Pressefreiheit ausblieb. Um in Zukunft verhindern zu können, dass gesellschaftliche Grauzonen dargestellt werden, wurden zur Erleichterung der Zensur Dokumentarfilme mit Postkartenfotografie gleichgesetzt, ein Konstrukt, das weitreichende politische Bedeutung hätte haben können, um investigativen Journalisten gezielt Maulkörbe zu erteilen.
http://www.lto.de/recht/hintergruende/h/kammergericht-berlin-entscheidet-ueber-graffiti-film-verbot/
22.10.2012
Im Mai haben die Berliner Verkehrsbetriebe eine Dokumentation über die Berliner Sprayer-Szene verbieten lassen. Kurz vor der Berufungsverhandlung wenden sich die Macher des Films nun mit einem Brief an die Öffentlichkeit. Wenn das Urteil gegen sie bestätigt wird, wäre es das Ende des kritischen Dokumentarfilms, befürchten sie…
Die Filmproduzenten Henrik Regel und Björn Birg haben gerade eigentlich anderes zu tun. Auch wenn es sie schmerzt, dass sie ihren Film „Unlike U“ nach dem Verbotsurteil des Berliner Landgerichts nicht mehr vertreiben dürfen, stecken sie längst bis über beide Ohren im nächsten Projekt. „Uns geht es nicht mehr um unseren alten Film. Für einen ordentlichen Vertrieb ist der Zug sowieso schon längst abgefahren“, sagt Regel und stellt schnell zwei Telefone lautlos, weil die sonst ununterbrochen klingeln würden.
„Was uns ärgert ist, dass missliebige Dokumentationen künftig ziemlich problemlos verboten werden können. Wenn das Urteil so bestehen bleibt, gefährdet das mehr als nur ein paar Filmemacher. Hier wird auch Journalisten ein wichtiges Instrument aus der Hand geschlagen, um gesellschaftliche Grauzonen auszuleuchten. Das betrifft Foto und Film, Print und TV gleichermaßen.“ Deshalb haben sie einen Brandbrief an alle Landesmedienanstalten und die großen Filmverbände geschrieben, in dem sie auf die möglichen Folgen des Urteils aufmerksam machen.
Dokumentarfilmer als Postkartenfotografen
Das Urteil des Landesgerichts setzt der Meinungs- und Pressefreiheit tatsächlich sehr klare Grenzen. Laut Begründung müssen die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) die Nutzung von Filmaufnahmen dann nicht dulden, wenn diese erstens ohne Genehmigung und zweitens auf ihren Grundstücken gemacht wurden (Urt. v. 10.05.2012, Az. 16 O 199/11). Eine Abwägung zwischen Eigentumsrechten und Pressefreiheit findet nicht statt. Genau das macht die Entscheidung in den Augen der Regisseure so brisant. Regel befürchtet: „Das Bildrecht am Eigentum könnte zum Maulkorb für jede Form der kritischen Bildberichterstattung werden.“
Vorbild für die Berliner Kammer ist der vom Bundesgerichtshof entschiedene Fall „Preußische Schlösser und Gärten“ (BGH, Urteil vom17.12.2010, Az. V ZR 44/10), auf den sich Richterin Christiane Klinger explizit bezieht. Damals wehrte sich die Stiftung „Preußische Schlösser und Gärten“ dagegen, dass fremde Fotografen beispielsweise Motive des Schlosses Sanssouci als Postkarten verkaufen. Der BGH gab ihnen Recht. Die kommerzielle Nutzung sollte allein der Stiftung vorbehalten bleiben.
Produzent Regel hält diese Gleichsetzung von Dokumentarfilmen und Postkartenfotografie für Unsinn: „Es ist doch nicht so, dass wir die pittoresken Betriebsbahnhöfe der BVG darstellen wollten. Unser Thema ist das Trainwriting. Da sind die Bahnhöfe Kulisse, mehr nicht.“
aus der Urteilsbegründung der Einzelrichterin Klinger vom 10.05.2012:
… Die Eigentumsgarantie, aus der die Klägerin ihren Unterlassungsanspruch ableitet, steht der Kunstfreiheit als ein anderes Freiheitsrecht gleichberechtigt gegenüber. Nach den vom GG getroffenen Wertungen tritt sie nicht prinzipiell hinter die Kunstfreiheit zurück (BverfG aaO). Das gilt umso mehr, als es hier nur um die Modalitäten der Kunstausübunq geht; denn dem Beklagten zu 1) ist es weder verboten, einen Film über Graffitis im öffentlichen Nahverkehr und die dazugehörige Szene herzustellen und der Öffentlichkeit zu präsentieren, noch, Bilder von bemalten U-Bahn-Zügen zu zeigen. Er kann solche Aufnahmen weiterhin verwenden, sofern sie an Standorten außerhalb des Eigentums der Klägerin entstanden, wie es bspw. bei den Bildern der Fall ist, die in der eingangs beschriebenen Sequenz von erhöhter Warte aus auf Überführungen der Bahngleise gedreht wurden…
Dabei ist auf Seiten des Beklagten zu 1) zu berücksichtigen, dass die Darstellung der Straftat in bewegten Bildern dem Zuschauer zwar eine besondere Authentizität des Geschehens vermittelt, der damit einhergehende Erkenntnisgewinn gegenüber bspw. einer mündlichen Schilderung der Vorgänge oder der Einblendung von Standfotos indes eher gering bleibt. Die beanstandete Sequenz dient damit vornehmlich der Befriedigung der Neugierde des Zuschauers, vermittelt ihm aber keine weitergehenden Informationen. Dass die Klägerin dieser Vorgehensweise des Beklagten zu 1) durch die Verwertung von Abbildungen ihres Eigentums nicht Vorschub leisten möchte, ist ein anerkennenswertes Motiv für die Geltendmachung ihrer Eigentumsrechte…
Dieses juristische Kauderwelsch soll wohl heißen, dass Frau Klinger zwar der Erstellung eines Dokumentarfilms über Graffitis nicht generell ablehnend gegenüber steht, die authentische Darstellung von Straftaten in diesem Zusammenhang aber als unzulässig betrachtet. Das Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit diffamiert sie in diesem Zusammenhang als niederes Bedürfnis der Befriedigung der Neugierde des Zuschauers, dem man nicht Vorschub leisten solle.
Hier zeigt sich – versteckt hinter juristischen Spitzfindigkeiten – deutlich die politische Einstellung von Richterin Klinger zur Aufklärung der Öffentlichkeit über die reale Situation in unserem Land. Die „Abgründe der Gesellschaft“ sollen nur in einer Art und Weise dargestellt werden dürfen, die der politischen Korrektheit nicht entgegensteht.
Lediglich dem starken öffentlichen Druck ist es zu verdanken, dass das Film-Verbot in der Berufungsverhandlung gekippt wurde, wobei dann der Einfachheit halber die Argumentation der Beklagten übernommen wurde.
http://ilovegraffiti.de/blog/2012/10/27/kammergericht-kippt-unlikeu-verbot/
In 1 bis 2 Wochen wird amtlich sein was bis Donnerstag (25.10.2012) wohl niemand mehr erwartet hätte: das Berliner Kammergericht hat das von der BVG geforderte und bereits ausgesprochene Verbot für die Dokumentation „Unlike-U – Trainwriting in Berlin“ in einer Berufungsverhandlung gekippt….
Am Donnerstag hat der Vorsitzende der 10. Zivilkammer des Berliner Kammergerichts, Ralf Neuhaus verhandelt, wie weit das Eigentumsrecht die Meinungs- und Pressefreiheit eingeschränkt werden darf und schlussendlich das Verbot gekippt. Die Dokumentation „Unlike U“ darf wieder öffentlich aufgeführt und verkauft werden. Nun betonte das Kammergericht laut einer Sprecherin der Filmemacher die künstlerische Freiheit. Der Film würde Straftaten nicht forcieren, sondern abbilden und erklären…
Und es gibt sie wieder, die künstlerische Freiheit, die Richter des Berliner Kammergerichts haben sie im deutschen Recht wiederentdecken können, … fragt sich nur für wie lange.
Freitag, 8. März 2013, von Hans-Christian Gräfe
… Das LG gab der Klage Recht. In der Pressemitteilung heißt es dazu:
„Die BVG habe die Herstellung dieser Aufnahmen ebenso wenig gestattet wie ihre Verwendung. Eine Berechtigung hierzu lasse sich weder aus dem Urheberrecht, der Kunstfreiheit oder der Pressefreiheit ableiten.“…
Seine Begründung stützte das LG auf das BGH Urteil – Preußische Schlösser und Gärten und formuliert im Klartext:
„Aufnahmen können weiterhin verwendet werden, sofern sie an Standorten außerhalb des Eigentums der Klägerin entstanden sind.“
Wie hat das Berliner Kammergericht das Problem bewertet?
Laut KG darf zunächst allein die BVG Bilder von ihren Bahnhöfen und Zügen kommerziell verwerten. Jedenfalls soweit diese von einem ihrer Grundstücke aus aufgenommen werden. Die Szenen, um die es geht, würden aber keine verwertbare Eisenbahnromantik darstellen, sondern zeigen „Personen, die in rechtswidriger Art und Weise gegen die Betriebsmittel vorgehen“. Die Argumentation von Preußische Schlösser und Gärten ließe sich also nicht ohne Weiteres übernehmen. Die BVG selbst verwertet absichtlich gerade keine Aufnahmen ihrer besprühten Bahnhöfe und Züge. Deshalb sei schon das Eigentum der BVG nicht beeinträchtigt…
Spannender blieb die Frage nach der inhaltlichen Einordnung des Filmes selbst: Die Aufnahmen verstoßen zwar gegen das Hausrecht der BVG; heimliche Filmaufnahmen in nicht öffentlich zugänglichen Betriebsräumen sind allerdings nicht generell verboten. Insbesondere, wenn die Presse- und Meinungsfreiheit betroffen sind. Und genau das stellte das KG fest! Es entschied, dass die Filmemacher sich außerdem auf die Kunstfreiheit berufen können – im Gegensatz zur Vorinstanz. Bei einer Abwägung der widerstreitenden Interessen hätte diese berücksichtigt werden müssen. Hierzu zitiert das KG u.A. aus der Wallraff-Entscheidung, wonach auch die Verbreitung rechtswidrig erlangter Information in den Schutzbereich der Pressefreiheit fällt. Die Kontrollfunktion der Presse könne bei einem absoluten Verbreitungsverbot leiden…
Welche Bedeutung kommt der Entscheidung zu?
… Dass der Allgemeinheit die Möglichkeit gegeben wird, sich durch die Sprayer-Doku eine Meinung zu bilden, hat eine höhere Bedeutung als der Rechtsbruch…
Nach Ansicht der Richterin Klinger dürften investigative Filmaufnahmen nur dann verwendet werden, wenn an jedem Ort der Eigentümer von Grund und Boden dem vorher zustimmt. Wenn die Entscheidung der Landgerichtskammer Bestand gehabt hätte, so wäre ab dem Jahr 2012 die Verbreitung rechtswidrig erlangter Informationen nicht mehr in den Bereich der Pressefreiheit gefallen. Frau Klinger hätte die Kontrollfunktion der Presse, die ohnehin kaum noch existiert, vollends vernichtet.
Belege dafür, dass Kliniken Ebola-Verdachtsfälle nicht isolieren, scheinen ebenfalls ein willkommener Anlass, um die Auswirkungen von investigativem Journalismus juristisch einzudämmen. Im Juni wurde der ZDF-Journalist Andereas Halbach vom Oberlandgericht Köln in dritter Instanz zu einer Geldstrafe verurteilt, weil er im Jahr 2014 in der Notaufnahme des Klinikums Aachen einen dunkelhäutigen Patienten mit Mundschutz und Handschuhen fotografiert und das Foto an „Bild“ weitergegeben hatte, deren Redaktion die Aufnahme unverpixelt veröffentlichte. Der Ebola-Verdachtsfall bestätigte sich zwar nicht, trotzdem besteht in diesem Fall ein großes öffentliches Interesse an der Aufdeckung derartiger absolut unverantwortlicher Praktiken. Wie kommt nun so ein Patient auf die abwegige Idee, nicht die „Bild“-Zeitung, sondern den Journalisten zu verklagen? Wer hat den Mann auf diese Idee gebracht und wie kann es sein, dass drei Gerichte der Ansicht sind, ein Fotograf müsse zum Schutz der Persönlichkeitsrechte seine Fotos verpixelt weitergeben? Eine Echtheit wäre dann kaum mehr zu prüfen. Diese Entscheidungen legen nahe, dass die Verantwortlichkeit für die Veröffentlichung beweiskräftiger Foto- und Filmaufnahmen gezielt auf die Fotografen abgewälzt werden soll, damit investive Journalisten eingeschüchtert und finanziell leicht ruiniert werden können. Einer „Bild“-Zeitung tut eine Geldstrafe nicht weh, den Journalisten können derartige Kosten in den Existenzverlust treiben. Druck lässt sich am leichtestes beim schwächsten Glied der Kette aufbauen. Ein Medienrechtler gibt der Verfassungsbeschwerde des Journalisten gute Chancen. Nach seiner Begründung hätten diese Urteile niemals ergehen dürfen, aber die Gesetze sind nicht eindeutig, sie lassen sich je nach Zielsetzung immer passend zurechtbiegen. Früher oder später wird die Justiz es schaffen, wenn die mehrheitlich gezielt nach ihren politischen Ansichten ernannten Richter ihrer Aufgabe „gerecht“ geworden sind…
Letzte Aktualisierung: 16. Juli 2017, 16:53 Uhr
AACHEN. Die Richter des 1. Strafsenats am Oberlandesgericht Köln haben eine klare Meinung über das, was ZDF-Redakteur Andreas Halbach getan hat: Er habe „bereits durch die Weitergabe des ungepixelten Bildes an die Redaktion den Straftatbestand verwirklicht“, heißt es in einer Pressemitteilung des OLG.
Folglich müssten künftig freie wie fest angestellte Fotografen und Kameraleute ihre Bilder verpixeln, bevor sie diese an die Redaktionen weitergeben… Unsere Zeitung sprach darüber mit Tobias Gostomzyk. Er ist Professor für Medienrecht am Institut für Journalistik der TU Dortmund.
Im Urteil des OLG Köln heißt es, das bereits die Weitergabe des unverpixelten Bildes eine Straftat darstelle. Wie beurteilen Sie das?
Gostomzyk: Das halte ich für problematisch. Das Bild wurde ja lediglich von einem in diesem Fall freien Journalisten an die Redaktion weitergegeben. Das ist nach meiner Auffassung keine Verbreitung im Sinne des Kunsturhebergesetzes…
Demgegenüber ist es für die Redaktion nötig, das unbearbeitete Originalmaterial zu kennen, um die Aussagekraft beurteilen zu können…
Hier ist insbesondere das Recht am eigenen Bild zu nennen. Es sieht grundsätzlich vor, dass allein bei einer Einwilligung veröffentlicht werden darf. Liegt eine solche nicht vor, stellt sich die Frage, ob eine Veröffentlichung aus anderen Gründen zulässig ist – insbesondere aus Gründen des öffentlichen Interesses. Dies erfordert wiederum eine Abwägung. Im konkreten Fall zwischen dem öffentlichen Interesse, wie man es bei der möglichen Verbreitung der Ebola-Seuche annehmen kann, und den Persönlichkeitsrechten des Betroffenen gerade in Bezug auf Krankheit…
Es wundert mich, dass keine Revision beim Bundesgerichtshof zugelassen worden ist…
Gostomzyk: Die Entscheidungsverantwortung, ob und wie eine Veröffentlichung stattfindet, muss bei der Redaktion liegen. Durch das Urteil müsste man den freien Journalisten mindestens als Informationszulieferer behandeln. Damit Medien ihre öffentliche Aufgabe erfüllen können, bedarf es dabei authentischen Materials…
Von: Stephan Mohne
Letzte Aktualisierung: 16. Juli 2017, 16:54 Uhr
Er will sich nicht mit seiner Verurteilung abfinden: ZDF-Redakteur Andreas Halbach aus Aachen zieht vors Bundesverfassungsgericht. Foto: Harald Krömer
Andreas Halbach ist das, was man einen investigativen Journalisten nennt. Investigativ bedeutet der lateinischen Wortherkunft nach soviel wie „aufspüren“. Investigative Journalisten spüren dementsprechend meist skandalträchtige Vorgänge in Politik, Wirtschaft und anderen Bereichen auf und bringen an die Öffentlichkeit, was eigentlich vor dieser verborgen bleiben soll….
Doch genau deswegen ist er in drei Instanzen verurteilt worden, weil er die Persönlichkeitsrechte eines schwarzafrikanischen Mannes verletzt hat… „Das ist das Ende der investigativen Bildberichterstattung“, meint er – und legt nun Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht ein.
… Der 56-Jährige Reporter blickt auf prall gefüllte Aktenordner. Der Fall ist hoch kompliziert…
Andreas Halbach begibt sich an diesem Tag, wie er selbst erzählt, wegen einer Knieverletzung in die Notaufnahme des Aachener Uniklinikums… Der Patient, wie es später im Gerichtsverfahren auch bezeugt wird, berichtet, dass er Besuch aus Afrika hatte und sich nicht gut fühle. Auch das Wort Ebola fällt in diesem Zusammenhang… Er beginnt noch vor Ort zu recherchieren, erfährt von einer Ärztin schließlich, dass es sich nicht um einen Ebola-Fall handelt… „In diesem Augenblick handelte es sich also um einen Verdachtsfall und der Mann wurde dennoch nicht isoliert, bis das Ergebnis zweifelsfrei feststand“, so Halbach. Als skandalös habe er empfunden, dass das Aachener Uniklinikum als eines der größten Krankenhäuser nicht einmal mit einer Isolierstation auf diese Situation vorbereitet gewesen sei…
Die Aufnahme erscheint unter dem Stichwort Ebola-Verdacht zunächst auf der Internetseite des Boulevardmagazins. Das Gesicht des Mannes ist dabei nicht wie sonst üblich unkenntlich gemacht. Eine krasse Verletzung der Persönlichkeitsrechte des Patienten, ein klarer Fehler der „Bild“-Onlineredaktion. „Als ich das sah, habe ich natürlich sofort bei der ‚Bild‘ angerufen und auch noch in einer Mail dringend darauf hingewiesen, dass die Person unkenntlich gemacht werden müsse“, sagt der Autor. Dennoch war das Foto zwei Stunden unbearbeitet im Netz…
Somit wird Andreas Halbach nach dem Kunsturhebergesetz verurteilt – als erster hauptberuflicher Journalist. Ein Präzedenzfall…
Denn schon eine unbearbeitete Weitergabe an die Redaktion sei eine „Verbreitung“ im Sinne des Gesetzes – wäre es also auch gewesen, wenn das Foto später gar nicht Online oder in der Zeitung erschienen wäre. „Damit hat eine Redaktion keine Chance mehr zu überprüfen, ob ein Bild authentisch ist oder nicht“, meint Halbach. Und ohne eine solche Einordnung fehle die Belegbarkeit einer aktuellen Nachricht oder einer – möglicherweise kritischen – Geschichte, womit sie seriöserweise auch nicht veröffentlicht werden könne…
Das Foto des schwarzafrikanischen Patienten war nur zwei Stunden lang unbearbeitet im Netz, in Folge eines Fehlers der „Bild“-Redaktion. Trotzdem wurde dies zum Anlass genommen, den unangenehmen investigativen Journalisten der alten Schule wegen der Weitergabe zu verurteilen, und zwar grundsätzlich und völlig unabhängig von der tatsächlich erfolgten Veröffentlichung.
Unsere Medien haben bereits jetzt größte Probleme, ihre Aufgabe als „vierte Gewalt“ im Staat noch zu erfüllen. In sogenannten Diktaturen werden kritische Journalisten eingesperrt, in Deutschland geht man subtiler vor. Investigative Journalisten als auch kritische Blogger werden mit Prozessen überzogen, wobei gerne auf angebliche Verstöße gegen das Urheberrecht oder Persönlichkeitsrechte zurückgegriffen wird, um politisch brisante Veröffentlichungen effektiv zu kriminalisieren. Durch die hohen Kosten und den enormen zeitlichen Aufwand werden die Betroffenen gezielt zermürbt, bis viele von ihnen ihre Arbeit gegen die Vertuschung im System resigniert aufgegeben haben.
Wer resigniert, macht seinen Frieden mit dem Weltprinzip statt den Frieden zum Weltprinzip.
Die stärksten Menschen sind nicht die, die immer gewinnen. Es sind die, die nicht aufgeben, wenn sie einmal verloren haben.