Dass die SPD zahlreiche Medienbeteiligungen besitzt, ist bekannt und wird seit fast zwei Jahrzehnten regelmäßig in der Öffentlichkeit kritisiert, besonders von anderen Parteien wie der CDU. Roland Tichy hat am 4. Februar 2019 auf seiner Online-Zeitung „Tichys Einblick“ bekanntgegeben, dass er den Artikel „Zeitungen, auf die die SPD heimlich und indirekt Einfluss nimmt“ um 14 Uhr desselben Tages löschen würde, um einer für ihn nicht finanzierbaren presserechtlichen Auseinandersetzung aus dem Weg zu gehen.
https://www.tichyseinblick.de/daili-es-sentials/es-muss-geloescht-werden/
VON TICHYS EINBLICK
Mi, 6. Februar 2019
Liebe Leserin,
Lieber Leser,
früher, in den Papierzeiten, mussten Artikel geschwärzt oder herausgeschnitten werden. Heute geht es vermeintlich einfacher: Es wird gelöscht.
TE ist diesen Weg gegangen und hat einen Beitrag so entfernt.
Die Kosten einer rechtlichen Auseinandersetzung können sich auf einen hohen 5-stelligen Betrag belaufen, den dieses Unternehmen nicht riskieren kann…. Die Pressefreiheit sei die Freiheit von 200 sehr reichen Leuten, hat der frühere FAZ-Herausgeber Paul Sethe in den 50er-Jahren formuliert…
Wir bitten ebenfalls um Verständnis, dass das Presserecht uns auch verbietet, über den Sachverhalt detailliert zu berichten oder öffentlich Stellung zu beziehen…
Herr Tichy erwähnt weder den Urheber der Abmahnung noch gibt er Hinweise auf die strafbewehrten Äußerungen. Bei meiner Suche bin ich auf den Blog des freien Journalisten Stefan Niggemeier gestoßen, der unter anderem für die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung und den Spiegel gearbeitet hat und nach eigenen Angaben Genaueres in Erfahrung bringen konnte.
https://uebermedien.de/35556/kein-kampf-roland-tichy-macht-sich-zum-opfer/
- FEBRUAR 2019
… Tichy wurde daraufhin von Madsack abgemahnt. Nach Informationen von Übermedien ging das Unternehmen im Kern gegen zwei Tatsachenbehauptungen vor, die zentral für Tichys Text sind: Dass die SPD bestimme, was in den Zeitungen stehe, und dass es sich bei den Madsack-Medien um „SPD-Medien“ handele.
Madsack forderte Tichy auf, eine Unterlassungserklärung abzugeben und setzte eine Frist bis Mittwoch, 14 Uhr…
Tichys ursprünglicher Artikel war ein übles Machwerk, aber seine Reaktion auf die Abmahnung ist besonders perfide. Er wird wissen, warum er eine juristische Auseinandersetzung scheut: Er müsste all seine forschen und extrem aggressiv formulierten Behauptungen von der Parteipropaganda belegen, die die SPD zentral gesteuert über Medien wie das RND verbreite…
Tichy verleumdet die Madsack-Medien, inszeniert sich aber, wenn die sich wehren, als Opfer. Dann gibt er kampflos auf, um sich als Kämpfer präsentieren zu können. Und seine rechten Mitstreiter erfüllen seine Mission, indem sie ihn entsprechend feiern und, wie von ihm nahegelegt, als Opfer eines Willkürregimes darstellen.
Herr Tichy soll von Madsack abgemahnt worden sein, also nicht direkt von der SPD. Ich teile zwar die Ansicht des Herrn Niggemeier, dass Tichy den Einfluss der SPD auf die Madsack-Mediengruppe überzogen darstellt, bin aber nicht der Meinung, dass sein Beitrag den rechtlichen Rahmen der Presse- und Meinungsfreiheit überschritten hat. Es ist schon anzunehmen, dass die Medienbeteiligungen der SPD nicht nur dem Zweck dienen, das Vermögen der Partei zu vermehren. Sicherlich bestimmt die SPD mit einem Anteil von 23 Prozent nicht, was in den Zeitungen steht, doch wird durch die Chefredakteure vermutlich schon ein Auge darauf geworfen, dass SPD-Interessen nicht verletzt werden. Eine neutrale völlig unparteiische Berichterstattung sieht für mich anders aus. Außerdem hinterlässt es bei mir einen ganz bitteren Nachgeschmack, wenn eine Mediengruppe ausgerechnet gegen eine Meinungsäußerung vorgeht, die den Einfluss auf die Berichterstattung durch Parteien kritisiert. Die SPD und eine große Mediengruppe wie Madsack müssten meiner Ansicht nach mit solchen Äußerungen leben können und sollten nicht ihre finanzielle Überlegenheit dazu missbrauchen, derartige Kritik verbieten zu lassen. Eine Gegendarstellung in ihren Medien hätte völlig ausgereicht und wäre der Wirkung nach viel effektiver gewesen. Die Anwendung der Abmahnkeule ist meinem Empfinden nach zutiefst undemokratisch und zeigt, dass in Deutschland beim Presserecht ausschließlich das Recht des Stärkeren gilt. Das Zivilrecht ist das Recht der Mächtigen und Reichen, um Kritiker mundtot zu machen.
Ich habe bereits einige Beiträge hierzu geschrieben und mir dabei die Frage gestellt, was einstweilige Verfügungen in unserer Rechtsprechung für eine Rolle spielen: handelt es sich um schnelles Recht oder geht es schnell zum Unrecht? Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass man als gewöhnlicher Bürger oder als in die rechte Ecke gestellter Kritiker wie Tichy mit ganz hoher Wahrscheinlichkeit mit dem Erlass einer einstweiligen Verfügung zu rechnen hat, wenn man eine Abmahnung von einflussreicher Stelle und einem teuren Anwalt der Gegenseite nicht akzeptiert. Die Zivilkammern prüfen die Vorwürfe meist gar nicht oder nur oberflächlich und erlassen ihre einstweiligen Verfügungen nach ihrem Bauchgefühl, was nicht selten von den eigenen politischen Einstellungen zumindest unterbewusst beeinflusst wird. In einer sich wesentlich später anschließenden Hauptverhandlung geben die Richter Fehler nur ungerne zu und bleiben häufig bei ihrer ersten Spontan-Einschätzung des Sachverhalts. Der Beklagte hat dann kaum eine Chance auf ein faires Verfahren, zumal sich der Kläger in presserechtlichen Verfahren das Landgericht und damit die jeweils zuständige Zivilkammer deutschlandweit aussuchen kann.
Parteipropaganda wird über die Medien teilweise subtil, manchmal auch offen in die Berichterstattung eingebunden – und nicht nur im Auftrag der SPD. Eine Beweisführung wird schwierig, da sich kaum zwischen direkter Einflussnahme und freiwilliger Selbstverpflichtung im Namen der politischen Korrektheit unterscheiden lässt.
Bei der SPD werden die Medienbeteiligungen offen geführt und sind auch auf der Homepage der parteieigenen Deutschen Druck- und Verlagsgesellschaft (DDVG) einzeln aufgeführt.
Willkommen, auf der Homepage der Deutschen Druck- und Verlagsgesellschaft, ddvg, dem Unternehmensbereich der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, SPD…
https://www.ddvg.de/wirueberuns/
… Aufgabe der „Deutsche(n) Druck- und Verlagsgesellschaft mbH“ (ddvg) ist professionelles Beteiligungsmanagement für ihre Eigentümerin, die Sozialdemokratische Partei Deutschlands. Das Ziel ist, die Beteiligungen wirtschaftlich zu führen, die Substanz zu mehren – und damit zugleich einen finanziellen Beitrag zur Arbeit der SPD zu leisten…
https://www.ddvg.de/wirueberuns/unserebeteiligungen/
Die ddvg ist an folgenden Verlagshäusern beteiligt (jeweils mit Nennung der wichtigsten Medienprodukte):
Presse / Verlag / Hörfunk
… Verlagsgesellschaft Madsack GmbH & Co. KG“ mit rund 23,1% (u.a. Hannoversche Allgemeine, Neue Presse Hannover, Leipziger Volkszeitung, Dresdner Neueste Nachrichten, Kieler Nachrichten, Lübecker Nachrichten, Ostsee-Zeitung, Göttinger Tageblatt, Märkische Allgemeine)…
Bereits im Jahr 2008 gab es ein richtungsweisendes Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das ein grundsätzliches Verbot von Beteiligungen politischer Parteien an Privatsendern für verfassungswidrig erklärte. Es handelte sich zwar nur um eine geringfügige SPD-Beteiligung von gut zwei Prozent, doch ging es dabei um eine grundsätzliche Bewertung der Medien als „vierter Gewalt“.
https://www.zeit.de/online/2008/11/parteien-medien-reffken
Von Hendrik Reffken
- März 2008
Dürfen sich politische Parteien an Medienunternehmen beteiligen? Diese Frage entscheidet am 12. März das Bundesverfassungsgericht anlässlich einer Klage der SPD-Bundestagsfraktion gegen das Hessische Privatrundfunkgesetz. Es verbietet politischen Parteien jede Art der Beteiligung an privaten Rundfunkunternehmen…
Ob Medienbeteiligungen politischer Parteien angesichts der zahlreichen Wechselwirkungen zwischen ihnen und den Medien politisch wünschenswert sind, darüber lässt sich trefflich streiten. Schließlich haben die Medien als „vierte Gewalt“ eine Kritik- und Kontrollfunktion gegenüber den politischen Institutionen. Zudem führen Medienbeteiligungen politischer Parteien zu einer Kumulierung von politischer und medialer Macht….
Solange die Parteien mit ihren Beteiligungen den Meinungsmarkt nicht beherrschen, droht von ihnen keine Gefahr für einen freien Meinungswettbewerb. Denn anders als Staatsmedien können Medienunternehmen mit Parteienbeteiligung weder auf die nahezu unbegrenzten sachlichen und personellen Ressourcen des Staates zurückgreifen noch staatliche Autorität für sich in Anspruch nehmen. …
VERFASSUNGSGERICHT:Parteien dürfen sich am Privatfunk beteiligen
AKTUALISIERT AM 12.03.2008
Solange ein bestimmender Einfluss auf die Programmgestaltung ausgeschlossen bleibt, dürfen sich auch politische Parteien an Privatsendern in geringem Maß beteiligen. Das Bundesverfassungsgericht erklärte damit das Hessische Privatrundfunkgesetz für verfassungswidrig…
Die in Hessen von der damaligen CDU/FDP-Koalition getroffene Regelung aus dem Jahr 2000 traf das Privatradio FFH, an dem die in SPD-Eigentum befindliche Deutsche Druckerei und Verlagsgesellschaft (DDVG) mittelbar mit 2,34 Prozent beteiligt war…
Der hessische Medienminister Stefan Grüttner (CDU) argumentierte, die Beteiligung einer Partei an einem privaten Rundfunkveranstalter lasse sich „mit dem Gebot eines neutralen und staatsfernen Rundfunks nicht vereinbaren“. Nur mit einem „Totalverbot“ solcher Beteiligungen lasse sich der Gefahr entgegenwirken, dass Parteien auf die Sendungen des privaten Rundfunks inhaltlichen Einfluss nähmen…
Was im Jahr 2008 bereits im Ansatz deutlich wurde ist heute offensichtlich. Eine ernst zu nehmende Kontrollfunktion der politischen Institutionen durch die Leitmedien ist nicht mehr gegeben. Die Parteien stecken überall mit drin. Auch wenn die CDU wenige offizielle Medien-Beteiligungen zu haben scheint, so ist doch eine starke indirekte Einflussnahme nicht zu übersehen.
Angela Merkels ziemlich beste Freunde
Von Kristina Dunz, dpa
- Juli 2015
… Die 61-Jährige selbst schirmt ihr Privatleben so weit wie möglich ab, spricht weder groß über ihre Ehe mit dem Quantenchemiker Joachim Sauer noch über ihre Geschwister und Freunde. Aber in Medien tauchen Namen auf wie Friede Springer (Verlegerin, Axel Springer) und Liz Mohn (Bertelsmann Stiftung) oder Matthias Döpfner (Vorstandschef der Axel Springer SE) und Matthias Wissmann (einst Bundesverkehrsminister, heute Präsident des Verbandes der Automobilindustrie), mit denen Merkel befreundet sei. Doch das kann als reichlich übertrieben gelten. Gut bekannt und vernetzt, das trifft es eher…
Gute Vernetzungen scheinen beispielsweise zwischen Angela Merkel und dem Axel-Springer-Verlag zu bestehen, was sicherlich nicht bedeutet, dass Frau Merkel über den Inhalt der Zeitungen zu bestimmen vermag. Würde der Axel-Springer-Verlag gleich eine Abmahnung schicken, wenn irgendein kritischer Blog solch eine Behauptung etwas pauschal und überzogen aufstellen würde, nur weil sich der Autor über die mangelnde Neutralität der Berichterstattung und die Verleumdung der eigenen Person geärgert hat?
Wenn Herr Tichy beispielsweise eine einstweilige Verfügung gegen die Ostsee-Zeitung der Verlagsgesellschaft Madsack mit 23 Prozent SPD-Beteiligung wegen der Äußerung hätte erwirken wollen, seine Online-Zeitung gehöre in die Grauzone zum Rechtspopulismus, wäre er damit sicherlich gescheitert und auch noch auf den Kosten des Versuchs sitzen geblieben. Unserer politischen Justiz gilt es nicht als Verleumdung, wenn Regierungskritiker als Nazis oder Nazi-artige Wesen genannt Rechtspopulisten diffamiert werden. Das nennt sich dann „Zivilcourage“.
31.01.2019
… Der Publizist Henryk M. Broder – Autor bei der „Welt“ – hat in dieser Woche vor der AfD-Bundestagsfraktion eine Rede gehalten…
Im Übrigen hat der in Kattowitz als Sohn von Holocaustüberlebenden geborene 72-Jährige die AfD bei seiner Rede durchaus kritisiert.
… Gleichwohl wird Broder, der auf der einschlägigen „Achse des Guten“ veröffentlicht, unter anderem deshalb seit längerem einer rechtspublizistischen Grauzone zugeschlagen. Dort ist er nicht allein…
Als Medien in der Grauzone zum Rechtspopulismus gelten Kritikern schließlich „Tichys Einblick“, verantwortet von dem früheren „Wirtschaftswoche“-Chefredakteur Roland Tichy, das Magazin „Cicero“ und die „Neue Züricher Zeitung“. Die „Achse des Guten“ und die „Junge Freiheit“ haben die Grenze nach allgemeiner Einschätzung überschritten.
Roland Tichy wollte mit seinem „bösen“ Artikel gegen Madsack und die SPD wohl gegen diesen Angriff zurück schlagen, aber selbst das steht einem „rechten“ Kritiker nicht zu. Das Presserecht ist halt das Recht des Stärkeren, und eine echte Meinungsfreiheit existiert in Deutschland nur noch auf dem Papier des Grundgesetzes – das hat Herr Tichy allemal aufzeigen können. Quod erat demonstrandum – was zu beweisen war.
